MANUEL FRICK
Gesellschaft Interview Print

«Ein überinszenierter Abgang wäre peinlich»

Eine Fernseh-Ära geht zu Ende: Viktor Giacobbo und Mike Müller präsentieren zum letzten Mal ihren satirischen Wochenrückblick auf SRF. Der «Landbote» hat Viktor Giacobbo im Casinotheater getroffen und mit ihm über den Abschied, seine Pläne und den Stil der Politsatire in der Schweiz gesprochen.

Jeden Sonntagabend hat Ihnen Mike Müller Kaffee gemacht. Wer wird das in Zukunft übernehmen?

Viktor Giacobbo: Das weiss ich nicht. Der Kaffee wird das Letzte sein, woran ich denke. In der Regel mache ich mir meinen Kaffee lieber selber.

Macht Müller denn keinen guten Kaffee?

Keine Ahnung. Ich habe ihn nämlich gar nie getrunken. Mike trinkt immer beide.

 

Im Casinotheater Winterthur will Viktor Giacobbo jungen Komikerinnen und Komikern weiterhin eine Plattform bieten.

 

Viele Schweizerinnen und Schweizer haben sich jeden Sonntag auf Ihre Politsatire gefreut. Die Sendung lief fast neun Jahre lang, die Einschaltquote liegt bei über 30 Prozent. Nun lassen Sie uns im Stich. Wo wird es in Zukunft Politsatire geben, die diesen Namen verdient?

Das müssen die Leute, die uns vermissen, selber beantworten. Politsatire gibt es bei verschiedenen Sendern und in diversen Theatern. Wir sitzen gerade in einem, wo man sie suchen und finden kann. Es ist ja nicht so, dass die Politsatire stirbt.

Früher waren Sie mit der Show auch schon im Circus Knie oder in der Davoser Eishalle. Was ist für den Abschied geplant?

Wir machen eine normale Sendung. Sie wird vielleicht ein bisschen länger dauern, weil wir einen besonderen Gesprächsgast haben: Bundespräsidentin Doris Leuthard. Anschliessend feiern wir mit Mitarbeitern, ehemaligen Talkgästen und Künstlern. Aber das wird nicht gesendet. Ich finde nichts peinlicher, als wenn Fernsehmacher ihren Abgang überinszenieren. Was passiert denn am Sonntag? Es hört einfach eine Sendung auf. That’s it.

Ist es für Sie persönlich auch so einfach, Ihr Baby loszulassen?

Ja, denn es geht ja weiter. Wir hören weder auf zu arbeiten, noch hören wir mit der Satire auf. Aber natürlich freut es uns, wenn viele Leute sagen, sie fänden es schade. Das schmeichelt uns.

Wie werden Sie die frei werdende Zeit ausfüllen?

Ich habe neue Projekte, und zwar einige. Die werden mehr als das ausfüllen. In einem Jahr werden wir sicher «Giacobbo/Müller on tour» machen. Das wird ein Theaterstück sein, das die ehemalige Sendung thematisiert. Und dann werde ich zwei Filmprojekte realisieren. Das eine ist eine Mockumentary (Parodie eines Dokumentarfilms, Anm. d. Red.), so wie ich es bei «Der grosse Kanton» gemacht habe. Das andere wird eine grössere Politkomödie fürs Kino sein.

«Wenn die Boulevardpresse dümmer ist als unser Publikum, kann ich auch nichts dafür.»

Nächstes Jahr kommen Sie ins Pensionsalter. Haben Sie auch schon überlegt, etwas kürzerzutreten?

Das mache ich schon seit 30 Jahren. Ich habe einen Job, in dem es manchmal sehr stressig ist. Und dann gibt es wieder Momente, in denen man es leichternehmen kann. Ich kann sehr gut kürzertreten – manchmal ganze Monate lang. Ein Workaholic bin ich sicher nicht.

Sie sind ja auch in den sozialen Medien recht aktiv. Auf Twitter schon jahrelang, bei Facebook aber erst seit Ende September. Wieso haben Sie erst so spät ein persönliches Profil erstellt?

Das hat seinen einfachen Grund: Bis jetzt reichte mir die Seite von «Giacobbo/Müller». Und weil ich finde, dass es etwas Praktisches ist, dachte ich, ich privatisiere das jetzt schon mal.

Apropos privat: Auf Facebook posten Sie Selfies aus Ihren Ferien in den USA oder wie Sie gerade einen Tirggel essen. Seit wann geben Sie solche Einblicke in Ihr Privatleben?

Das hat doch nichts mit dem Privatleben zu tun, wenn ich einen Tirggel esse. Das war übrigens innerhalb der Produktion einer Sendung. Das andere sind einfach Bilder von irgendwo. Es gibt kein einziges Bild aus meinem Privatbereich. Es gibt keine einzige Homestory und keine einzige ernst gemeinte Auskunft über Privatangelegenheiten. Ausser dann, wenn ich etwas klarstellen muss, damit die Aufregung aufhört.

Aufregung gab es zuletzt, als Mike Müller in der Sendung sagte, Ihre Freundin heisse doch Babs. Der «Blick» bezog das auf Ihre ehemalige Lebenspartnerin Barbara Josef und stellte es so dar, als wären Sie höchstwahrscheinlich wieder liiert.

Ja. Und?

Stimmt es denn?

Ich habe ja vorher gesagt, dass ich nichts Privates preisgebe. Das war nur ein Joke in der Sendung, der natürlich eine gewisse Anspielung war. Wenn die Boulevardpresse dümmer ist als unser Publikum, kann ich auch nichts dafür. Denn unser Publikum versteht das sehr wohl.

Reden wir wieder über die Sendung. Ihr Hausmusiker Daniel Ziegler scheint recht humorlos zu sein. Ist er wirklich solch ein Griesgram?

Nein, das spielt er nur.

Wie kam es denn dazu, dass ihm eine solche Rolle zugeschrieben wurde?

Auf die gleiche Art, wie es dazu kommt, dass ich oft eine Frau spiele, aber doch keine bin. Das macht man so beim Theater: Man spielt etwas, das man nicht ist.

Viele Schauspieler lassen Züge ihrer eigenen Persönlichkeit in ihre Rolle mit einfliessen.

Das mache ich gar nicht. Ich habe keinerlei Züge der Figuren, die ich spiele. Null.

Sind Sie auf der Strasse schon mal für eine Ihrer Figuren wie Harry Hasler gehalten worden?

Nein, Gott sei Dank nicht. Ich wollte nie auf eine Figur reduziert werden. Dafür habe ich auch gesorgt, indem ich die Sendungen nicht in einer Rolle, sondern als ich selbst moderiert habe. Mit einzelnen Ausnahmen. Deshalb habe ich auch Harry Hasler abgeklemmt, als es mir zu viel wurde.

Was ist passiert?

Das ist lange her. Als 1996 der «Saletti-Rap» in der Hitparade war, haben selbst die Kinder auf dem Pausenplatz begonnen, so zu reden wie Harry Hasler. Zu einer Signierstunde im Einkaufszentrum Glatt kamen so viele Leute, dass man mich mit Bodyguards reinbringen musste. Als ich auf der Bühne stand, hat sie sich vom Andrang der Leute bewegt. Da wurde mir das Ganze etwas unheimlich und ich beschloss, Harry Hasler zur Seite zu legen.

«Der Stil der politischen Satire ist sicher abhängig von Landesgrenzen.»

Die Bekanntheit Ihrer Figuren ist beispielhaft, für viele junge Komiker sind Sie ein Vorbild. Sie übernehmen auch eine Art Mentorenrolle und verhelfen dem Nachwuchs mit Auftritten in Ihrer Sendung zu nationaler Bekanntheit. Wer wird den Newcomern in Zukunft eine solche Plattform bieten?

Das müssen Sie das SRF fragen. Oder die anderen Medien, die in dieser Richtung nichts machen, aber immer sagen: Oh, jetzt hat der Nachwuchs im SRF keinen Platz mehr. Wir fördern den Nachwuchs auch hier im Casinotheater. Wir werden auch mit der letzten Sendung so aufhören und zwei junge Künstler vorstellen, die noch nicht sehr bekannt sind. Das ist auch ein Statement.

Hazel Brugger, Michael Elsener, Fabian Unteregger. Sie alle begeistern mittlerweile die ganze Schweiz. Kam niemand von denen als Nachfolger für «Giacobbo/Müller» infrage?

Erstens mal: Den Begriff Nachfolger gibt es in diesem Zusammenhang nicht. Die Sendung wird ja nicht von jemand anderem übernommen und es ist auch kein Amt. Und alle, die Sie jetzt aufgezählt haben, wären sicher geeignet dafür. Nur haben diese Künstler manchmal auch andere Pläne. Das SRF sucht sehr wohl junge Komiker – vielleicht nicht immer gerade zum richtigen Zeitpunkt und vielleicht nicht immer gerade die Richtigen.

Auch wenn Sie den Begriff Nachfolger zurückweisen: Dominic Deville wird mit seiner Late-Night-Show als solcher gehandelt und wahrscheinlich mit Ihnen verglichen werden. Besteht nicht die Gefahr, dass er die Erwartungen der Zuschauer nicht erfüllen kann?

Klar, kritisiert wird immer, das muss jeder Fernsehmacher aushalten. Viele Kritiker merken oft nicht, dass sie Äpfel mit Birnen vergleichen. Zum Beispiel unsere Sendung mit der «Heute-Show» des ZDF: Die finde ich toll gemacht. Nur hat sie ein anderes Konzept, denn sie ist vom ersten bis zum letzten Wort geschrieben und wird dann ab Prompter vorgelesen. Das wäre mir zu langweilig. Wir haben nur Stichwörter und müssen dann improvisieren.

Ist der Humor in jedem Land wieder anders ausgeprägt?

Ich glaube, dass der Humor eher von sozialen Grenzen bestimmt wird: Sind die Leute jung oder alt, kommen sie aus der Stadt oder vom Land und welchen Beruf haben sie. Der Stil der politischen Satire ist aber sicher von Landesgrenzen abhängig. Wir haben eine Konkordanzdemokratie, in der kein so deutlicher Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition stattfindet wie in Deutschland. Bei uns sind ja alle grossen Parteien in der Regierung. Gut, die eine ist ein bisschen schwer erziehbar und etwas verhaltensauffällig, aber trotzdem auch an der Macht.

«Natürlich sind wir schon vorsichtig vom SRF gefragt worden, ob wir diese oder jene heikle Pointe wirklich bringen müssen.»

Richtig bissige Politsatire ist im politischen System der Schweiz also gar nicht möglich?

Ich glaube nicht, dass wir weniger bissig sind. Das wird zwar immer wieder behauptet. Aber es konnte mir noch niemand ein Beispiel nennen, dass es eine bissige Pointe aus Deutschland gäbe, die wir uns nicht zu machen getrauen. Nur würde sie im Schweizer Kontext nicht unbedingt funktionieren.

Die Entscheidung, was gesendet wird und was nicht, lag bei Ihnen und Mike Müller. Gab es zwischen Ihnen beiden auch mal Differenzen über die Inhalte?

Wir haben immer wieder darüber diskutiert, ob wir etwas machen wollen oder nicht. Aber wir hatten eine ganz einfache Regelung: Wenn einer etwas nicht drin haben wollte, dann war es nicht drin.

Und vom Sender haben Sie eine Carte blanche erhalten.

Natürlich sind wir schon vorsichtig gefragt worden, ob wir diese oder jene heikle Pointe wirklich bringen müssen. Wenn wir es aber wollten, dann haben wir es gemacht. Und hin und wieder liessen wir uns überzeugen und haben auch mal etwas sein gelassen. Das fand alles auf sehr kollegialer Basis statt. Ich kenne keinen anderen grossen Medienbetrieb, der den Satirikern dermassen Auslauf gegeben hat – weder Tamedia noch Ringier noch die Wanner-Medien. Das SRF war aber auch darum so liberal, weil sie genau wussten, dass wir sofort aufhören würden, sobald sie anfangen, uns etwas vorzuschreiben. Wir waren beide nicht auf Tod und Leben aufs Fernsehen angewiesen, weil wir immer auch auf Bühnen, im Zirkus oder beim Spielfilm aktiv waren. Das hat natürlich geholfen.

 

Text: Manuel Frick
Bild: Johanna Bossart
Publiziert: 10.12.2016
Medium: Der Landbote