MANUEL FRICK
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«Wir wissen nicht, was die Imame in der Schweiz predigen»

Die Winterthurer EVP-Nationalrätin Maja Ingold fordert in einem Postulat Imam-Lehrgänge in der Schweiz. Im Interview erklärt Ingold, wieso sie eine Anerkennung der Muslime als Glaubensgemeinschaft aber noch für verfrüht hält.

Frau Ingold, wieso soll sich der Bund mit der Ausbildung von Imamen befassen?

Maja Ingold: Die Imame sind Schlüsselpersonen der Integration. Wir wissen aber nicht, was die Imame in den Schweizer Moscheen predigen. Nehmen wir das Beispiel des Basler Schülers, der seiner Lehrerin den Handschlag verweigert hat. Sein Vater ist offenbar Imam. Da kann man sich ja etwa vorstellen, welche Spielregeln er seinen Kindern beigebracht hat. Das ist für mich nicht mit Schweizer Werten vereinbar.

Mit Ihrem Postulat wollen Sie die Radikalisierung von Jugendlichen bekämpfen. Ein verweigerter Handschlag macht aber noch keinen Jihadisten.

Natürlich nicht. Gerade im Raum Winterthur haben wir aber Beispiele von Radikalisierung in Gebetshäusern. Ich denke da zum Beispiel an die An’Nur-Moschee. Man muss davon ausgehen, dass die dortige Predigt die Jugendlichen auf einen Weg bringt, der dem friedlichen und freiheitlichen Zusammenleben in unserer Gesellschaft entgegensteht. Und je nachdem führt dieser Weg die Jugendlichen zum Jihadismus.

Wie wollen Sie dem begegnen?

Wir sollten in der Imam-Ausbildung gewisse Voraussetzungen definieren. Tatsache ist, dass wir nicht wissen, wie die Imame ausgebildet sind und welche Anforderungen die Moscheen an sie stellen. Wenn ausländische Ärzte bei uns eine Zulassung anstreben, müssen sie ja auch zuerst drei Jahre lang in einer anerkannten Klinik arbeiten. Und lernen dabei auch Deutsch.

Welche Kenntnisse gehören neben der Sprache dazu?

Sie sollten die einheimische Kultur kennen und mit den Regeln unseres Zusammenlebens vertraut sein.

Wieso erfüllen die Imame diese simplen Anforderungen nicht?

Viele werden aus dem Ausland eingeflogen. Sie sind zu wenig lang und zu wenig intensiv im Kontakt mit der Kultur ihres Gastlandes. Häufig werden sie aus dem muslimischen Ausland finanziert und wahrscheinlich gesteuert. Über diese Finanzflüsse sind wir nicht informiert, weil die Moscheen als Verein organisiert und somit nicht zur Transparenz verpflichtet sind.

Österreich hat die Finanzierung aus dem Ausland mit dem revidierten Islamgesetz verboten. Der Islam geniesst dort aber auch rechtliche Anerkennung. Ein Modell für die Schweiz?

Eben weil die Muslime in der Schweiz nicht als Glaubensgemeinschaft anerkannt sind, muss man andere Wege finden.

Sind Sie gegen eine Anerkennung als Glaubensgemeinschaft?

Die Hürden für eine Anerkennung sind sehr hoch. Bis eine Glaubensgemeinschaft die Voraussetzungen der Transparenz und der demokratischen Verfasstheit erfüllt, braucht es viel. Dass man sich auf diesen Weg begibt, finde ich aber nicht falsch. Wahrscheinlich wird es nicht die Form der Anerkennung sein, die etwa die Juden im Kanton Zürich haben. Etwas Analoges kann ich mir im Moment nicht vorstellen. Aber irgendeine Form der Einbindung braucht es, damit man auf Augenhöhe miteinander reden kann.

Was müssten die Muslime noch ändern?

Es fehlt aufseiten der muslimischen Vereine eine Organisation, bei der sich die Vereinigungen klar werden können, welche Rolle sie spielen wollen. Das ist umso schwieriger, weil der Grossteil der muslimischen – und übrigens auch der christlichen – Bevölkerung religiös eher anonym lebt und den Institutionen keine grosse Bedeutung beimisst. Darum ist es schwierig, die muslimischen Gemeinden auf einen gemeinsamen Weg zu bringen.

Angenommen, in der Schweiz würden Imame ausgebildet, welche die Mehrheitskultur kennen und akzeptieren. Wie kann der Staat die Moscheevereine dazu bringen, diese Imame einzusetzen, wenn er gar keine rechtliche Handhabe dazu hat?

Natürlich kann man nichts garantieren. Es ergibt sich jedoch alleine auf dem Weg dorthin ein interreligiöser Dialog, der uns weiterbringen wird. Mit den Jahren wird es einen Konsens darüber geben, wie man miteinander arbeiten kann.

Die Imam-Ausbildung würde viel Geld kosten. Die Moscheevereine können keine Steuern von ihren Mitgliedern einziehen, so wie die Landeskirchen. Wer soll also bezahlen?

Das ist sicher eine Problematik. Und die möglichen Kosten werden auch ein politischer Stolperstein sein. Man muss sich aber überlegen, was uns die Desintegration von Jugendlichen und eine allfällige Radikalisierung kostet. Wenn man diese Rechnung macht, sieht man vielleicht, dass sich solche konstruktiven Investitionen eben doch lohnen.


DAS POSTULAT

Maja Ingold (EVP) fordert in ihrem Vorstoss die Schaffung von Imam-Lehrgängen. Vorderhand solle der Bundesrat in einem Bericht Ausbildungsvoraussetzungen für Imame aufzeigen. Unter den 13 Mitunterzeichnenden finden sich Vertreter aller grösseren Parteien. Der Bundesrat sprach sich im Juli für die Annahme des Postulats aus. Das Parlament hat noch nicht über den Vorstoss der Winterthurer Nationalrätin befunden.


 

Text: Manuel Frick
Bild: Pixabay creative-commons
Publiziert: 20.08.2016
Medium: Der Landbote