MANUEL FRICK
Gesellschaft Interview Print

«Hinter dem Horror-Clown-Hype könnte eine Kampagne stecken»

Unheimliche Clowns erschrecken derzeit Passanten auf der ganzen Welt. Guido Keel, ZHAW-Dozent für Journalistik, spricht über die Ausbreitung des Phänomens und die Frage, ob die Medien zu boulevardesk darüber berichten.

Das Horror-Clown-Phänomen ist bis zu uns vorgedrungen. Wie hat sich die Idee verbreitet, als Clown verkleidet Passanten zu erschrecken?Guido Keel: Es gibt verschiedene Spekulationen. Eine bezieht sich auf die Verfilmung des Romans Es von Stephen King. Nächstes Jahr kommt ein Remake in die Kinos. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass hinter dem ganzen Wirbel um die Horror-Clowns eine Werbekampagne für den neuen Film steckt. Also ursprünglich eine Marketing-Strategie, die viral gegangen ist, über die man aber die Kontrolle verloren hat. Die Filmproduktionsfirma streitet dies natürlich vehement ab und der Vorwurf hat zugebenermassen etwas von einer Verschwörungstheorie.

Und die Massenmedien springen bereitwillig auf den Zug auf und verbreiten das Phänomen unreflektiert weiter.

Klar, damit jemand in Elgg auf die Idee kommt, braucht es einerseits einen Input von irgendwo. Das kann von den Massenmedien sein. Den Medien deshalb die Schuld zu geben, fände ich aber zu einfach, denn ihre Wirkung ist nie unmittelbar. Zudem ist es ihre Aufgabe, die Öffentlichkeit über aktuelle Geschehnisse zu informieren – auch über Unglück und Verbrechen. Als Medienkonsument habe ich nicht das Gefühl gehabt, dass das Phänomen über die Massen aufgebauscht wurde. Trotzdem kann die Berichterstattung natürlich zu Nachahmungstätern führen.

«Am schnellsten flachen die Diskussionen ab, wenn man das Phänomen als das bezeichnet, was es ist: Ein totaler Blödsinn.»

Ähnlich wie bei Suizidfällen?

Das kann man meines Erachtens nicht vergleichen. Bei Selbstmorden ist die Ansicht ganz klar, dass man möglichst zurückhaltend darüber berichten sollte. Zwischen Selbstmord und Horror-Clowns sehe ich aber einen ziemlichen Unterschied. Ich glaube nicht, dass jemand rein aufgrund der Berichterstattung auf die Idee kommt, als Clown verkleidet Kinder zu erschrecken.

Trotzdem: Würden die Medien nicht darüber berichten, gäbe es bestimmt weniger Nachahmungstäter.

Dann gäbe es immer noch die sozialen Medien. Auf Plattformen wie Facebook breiten sich solche Ideen noch viel schneller aus. Trends wie das Planking oder die Ice-Bucket-Challenge gingen in rasantem Tempo um die Welt.

Die Elgger tauschen sich in einer Facebook-Gruppe über das Phänomen aus. Die Reaktionen reichen von Angst über Belustigung bis zu indirekten Aufrufen zur Gewalt gegen die Clowns. Wie soll man sich als Gruppen-Administrator verhalten?

Am besten die Schreibenden dazu auffordern, sachlich zu bleiben und sich auch nicht lustig zu machen. Aufrufe zur Gewalt sollten gar nicht erst publiziert werden. Am schnellsten flachen die Diskussionen ab, wenn man das Phänomen als das bezeichnet, was es ist: Ein totaler Blödsinn, der weder speziell lustig ist noch die Welt verändern wird.

Wie sollten die Massenmedien berichten, um einen konstruktiven Beitrag zu leisten?

Ein schlechter Beitrag berichtet nur über die Fälle und die Opfer. Ein guter Beitrag sollte hingegen zusätzlichen Kontext liefern. Also etwa auf die Herkunft des Phänomens eingehen oder Ratschläge für Betroffene geben.

Ist die aktuelle Berichterstattung zu boulevardesk?

Allgemein gesagt sind die Merkmale der Boulevardisierung eine starke Personifizierung und Skandalisierung. Beides trifft hier meines Erachtens nicht zu. Ich empfinde die Berichterstattung als recht sachlich und zurückhaltend. Man kann sich natürlich fragen, ob es überhaupt ein Thema sein sollte.

Ist es denn für die Öffentlichkeit von Relevanz, über die Horror-Clowns informiert zu werden?

Boulevard-Medien erachten Vorgänge als relevant, die vor allem Gefühle auslösen oder der Unterhaltung dienen. Diese Art der Relevanz kann man natürlich auch dem Clown-Phänomen zuordnen. Die Kritik trifft hier also teilweise zu. Andererseits fallen auch alle Berichte von Unfällen und Verbrechen in diese Kategorie. Trotzdem wird darüber in allen Medien berichtet, egal ob sie zum Boulevard gehören oder nicht.


Text: Manuel Frick

Bild: Dave Bozward / flickr creative-commons
Publiziert: 01.11.2016
Medium: Der Landbote